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Mittwoch, 23. Oktober 2013

Preußen-Trainer Ralf Loose im Interview: "Ich will nur die Richtlinien vorgeben"


Münster - 
In den 80er und 90er Jahren spielte Ralf Loose als Profi für Borussia Dortmund und Fortuna Düsseldorf. Als Trainer war er zunächst sieben Jahr in Liechtenstein als Landescoach tätig, mit SF Siegen und Dynamo Dresden gelang ihm der Aufstieg im deutschen Vereins-Fußball. Seit Mitte September ist er Trainer des SC Preußen Münster. Über den Stand der Dinge sprachen mit dem 50-Jährigen Ansgar Griebel und Alexander Heflik.
Von Ansgar Griebel und Alexander Heflik
Wie lautet das erste Fazit nach einem Monat?
Loose: Die Situation war von Anfang an sehr schwierig. Die Tabellensituation, die Anzahl an Negativerlebnisse, die die Mannschaft hatte. Ich bin ins kalte Wasser gesprungen und habe versucht, in der Kürze der Zeit Fortschritte zu erzielen. Jetzt bin ich froh, dass wir den ersten Sieg eingefahren haben, den ersten Heimsieg, die ersten „zu-null-Spiele“.

Kennen Sie jeden Spieler inzwischen gut genug, um ihn beurteilen und optimal einsetzen zu können?
Loose: Das braucht seine Zeit. Die meisten sind bekannt, zumindest von meiner Tribünensicht als Beobachter. Man lernt sie dann persönlich kennen, was auch nicht unwichtig ist. Es gibt auch den einen oder anderen, der noch gar nicht zum Einsatz kam. Man kann sagen, dass ich sicher noch nicht jeden Spieler aus dem Effeff kenne.
Dennoch scheinen Sie eine erste Elf gefunden zu haben.
Loose: Wir haben versucht, eine Mannschaft zu formen, die zusammenpasst. Da zählt die Leistung im Training und im Wettkampf. Die Leistung hat sich so dargestellt, dass wir momentan diese Formation gefunden haben. Aber das ist ja nicht das Evangelium. Wir haben jetzt drei Spiele mit der gleichen Aufstellung gespielt, das waren die Spiele, in denen wir die Punkte eingefahren haben. Ich schließe aber keinen Wechsel aus, ich suche ihn aber auch nicht mit Gewalt.
Den Mannschaftsrat und auch den Kapitän haben Sie von Ihrem Vorgänger übernommen. Passt das, obwohl Stefan Kühne als Spielführer aktuell nicht erste Wahl ist?
Loose: Für mich ist das kein Problem. Kühne hat ja auch unter meinem Vorgänger nicht immer gespielt. Ich habe ihn von Anfang an gebracht, weil ich gesehen habe, dass er von seiner Persönlichkeit her Mitspieler mitreißen und motivieren kann. Leider ist uns in dieser Phase nicht mehr gelungen, dass wir auch Siege und Punkte hätten einfahren können. Dass jetzt ein Kühne nicht auf dem Platz steht ist richtig, aber deswegen sehe ich überhaupt keinen Grund, ihn nicht in dieser Position zu lassen. Natürlich ist das für ihn keine optimale Situation. Aber so lange vor allem er damit umgehen und positiv auf die Mannschaft einwirken kann, solange müssen wir nichts ändern. Die Akzeptanz ist da.
Ich komme nicht nach Münster, drücke auf einen Knopf und die Ampel steht auf Grün.
Preußen-Trainer Ralf Loose über den ersten Trainingsmonat
Haben Sie eigentlich Kontakt zu Ihrem Vorgänger Pavel Dotchev?
Loose: Nein, ich habe keinen Kontakt zu ihm aufgenommen. Aber ich kenne ihn natürlich, wir haben einmal als Trainer von SF Siegen und er vom SC Paderborn gemeinsam ein Trainingslager gehabt. Aber wichtig ist für mich jetzt, dass sich jeder Trainer sein eigenes Bild macht. Und oft ist es ja so, dass die Enttäuschung wegen der Freistellung groß ist, deswegen muss man ihn manchmal auch in Ruhe lassen.
In welchem Zustand haben Sie die Mannschaft übernommen?
Loose: Die Jungs waren ziemlich niedergeschlagen, das ist klar. Man hat sich in jedem Spiel vorgenommen, zu gewinnen, das ist leider nicht gelungen. Dass dann eine Mannschaft verunsichert ist und das ganze Umfeld und das die Kritik da ist, dass wissen wir alle. Wir haben dann versucht, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und das ist natürlich, die Spielqualität an sich zu verbessern, den Geist im Team voranzubringen, dass jeder jedem hilft, die Identifikation mit dem Verein und auch den Beruf selber noch mehr zu leben. Das sind die wesentlichen Dinge, die wir in der Kürze der Zeit verbessert haben.
Sie haben früh die konditionelle Verfassung kritisiert, da schwingt ja auch immer ein Vorwurf an den Vorgänger mit?
Loose: Ich glaube, dass wir da absolut nicht bei 100 Prozent sind, im konditionellen Bereich haben wir erheblich Luft nach oben. Es wird auch nicht so schnell gehen, dass wir das Maximum hinkriegen.
Die Abwehr hat sich unter dem Trainer Loose deutlich verändert. Wie kam es dazu?
Loose: Abwehr fängt immer beim Torwart an. Der war total verunsichert, stand in der Kritik. Ich glaube, dass sich Daniel Masuch in den Wochen, in denen ich hier bin, sehr gut präsentiert hat. Er hat sich verbessert und ist auf einem guten Level. Kevin Schöneberg hat sich durch die Rote Karte rausgespielt und ich habe überlegt, wie ich ihn ersetzen kann. Den Julian Riedel habe ich gleich an meinem ersten Tag als Linksverteidiger in der Reserve gesehen, da war er ansprechend – in der Offensive. In der Defensive musste er noch deutlich zulegen – er hat sich reingekniet und das war auch bitter nötig. Ich habe mit den jungen Spielern schon in der ersten Wochen gesprochen, habe ihnen gesagt, dass sie bereit sein sollen. Die Chance ist schneller gekommen als erwartet, nicht nur für mich, sondern auch für sie selber. Simon Scherder hat in den Trainingseinheiten einen ordentlichen Eindruck gemacht. Da habe ich ihm gegen Augsburg die Chance gegeben. Robin Neupert hat auf dieser Position die Nase vorn gegenüber Fabian Hergesell, weil er zweikampfstark ist, kopfballstark, robust und – wie soll ich sagen – ein positiver Typ halt ist.
Wie verhält es sich mit Dominik Schmidt, dem lange verletzten Abwehrchef?
Loose: Dominik Schmidt war leider verletzt,als ich kam. Ihn kenne ich schon seit ewigen Zeiten, schon seit er bei Werder Bremen 2 spielte. Er ist für mich ein sehr wichtiger Spieler, und das habe ich versucht ihm zu zeigen. Ich habe ihn sehr früh wieder in den Kader genommen, was nicht selbstverständlich ist, ihn früh eingewechselt, was auch nicht selbstverständlich ist. Er muss Geduld haben, sich aufdrängen und auf seine Chance warten.
Sind Sie mit der Mannschaft weiter als Sie es zu Ihrem Dienstantritt erwartet haben?
Loose: Ich bewerte die Situation nach wie vor als schwierig. Wir haben jetzt ein paar Punkte gesammelt. Das war auch wichtig für uns, das zeigt auch, dass wir es können. Das ist klar, aber nicht mehr und nicht weniger. Wichtig ist, dass wir heiß darauf sind, in jedem Training alles zu geben, uns körperlich weiterzuentwickeln. Nur mit diesen Eigenschaften unter der Woche kannst du auch am Wochenende den Siegeswillen und die optimale Leistung abrufen. Jeder Spieler muss dranbleiben, um seine Chance zu bekommen. Ich bin nicht der Statistiker, aber es haben schon sehr viele Spieler unter meine Regie ihre Chance gehabt. Ich muss in der Kürze der Zeit abwägen, wem vertraue ich und wer bekommt heute die Chance – und dann muss er die auch nutzen.
Verhalten sich alle Spieler professionell genug? Sie haben einige Maßnahmen ergriffen.
Loose: Ich habe beispielsweise angeordnet, dass alle Spieler eine Stunde vor dem Training da sein müssen. Ich habe versucht, ihnen zu erklären, dass alle die Zeit auch individuell nutzen können. Wir haben in der Gästekabine eine Art Gymnastikraum eingerichtet. Sie können Gespräche mit mir führen, sie sind dann da, ich muss nicht gucken, wann kommen sie überhaupt. Sie können sich miteinander unterhalten, mit den Physiotherapeuten. Es gibt viele Möglichkeiten diese Zeit sinnvoll zu nutzen. Es regt den Gedanken an, sich professionell vorzubereiten. Dazu kommen persönliche Gespräche und Mannschaftssitzungen. Im Fußball ist es wie in einer Familie, Probleme gibt es immer. Fußball ist vielleicht überhaupt der schwierigste Sport. Jetzt haben sie noch eingeführt, dass du sieben auf die Bank setzen kannst, weil die Champions-League-Vereine das so wollen, aber es können immer nur drei reinkommen. Es sind immer mehr enttäuscht als glücklich. Deswegen ist der Fußball auch so brisant im Kaderprozess.
Was für ein Trainertyp sind Sie?
Loose: Es sollte so sein, dass eine natürliche Autorität da ist. Aber das müssen bei mir andere beurteilen. Ich will nur die Richtlinien vorgeben. Wir wissen alle, das sich die Zeiten geändert haben. Als ich gespielt habe, gab es noch kein Handys. Heute ist das gang und gäbe. Sogar meine Tochter hat auch schon ein Handy. Jeder wird mit einer anderen Zeit groß, jeder hört seine eigene Musik. Das sind Dinge, die man als Trainer auch mitleben muss. Aber alle Dinge kann man nicht mitgehen, da habe ich schon eine relative klare Linie und klare Vorstellungen. Ich hoffe nur, dass der Mannschaftsrat das auch mit in die Mannschaft trägt.
Tut er das?
Loose: Ich bin ja nicht immer dabei. Ich behaupte, dass ich schon viel mitbekomme. Aber eben auch nicht alles. Ich muss mich darauf verlassen, dass wir uns als Mannschaft dahin weiterentwickeln.
Was darf ein Spieler auf keinen Fall?
Loose: Ich kann nur sagen: Wer Profi ist, der muss den Weg auch bereit sein zu gehen, der muss auch aus Fehlern lernen. Der muss auch die Verantwortung für sich selber übernehmen. So einfach ist das.
Ist denn der suspendierte Kevin Schöneberg im Training wieder dabei?
Loose: Nein.
Was darf ein Spieler bei Ihnen nicht?
Loose: Was kann ein Spieler machen? Er kann Geschäfte überfallen. Das gab es auch schon. Wir können das nicht alles regeln. Aber, wenn ein Spieler daneben ist, muss er Reue zeigen. Er muss das Gefühl haben, dass er weiß, er gehört zur Gruppe Preußen Münster. Wenn ich das Gefühl habe, dass das einer dauerhaft nicht will, dann muss man auf ihn verzichten.
Aber Sie bekommen das alles in den Griff?
Loose: Es ist nicht so, dass ich hier hinkomme, drücke auf einen Knopf und dann ist die Ampel von Rot auf Grün gestellt. So einfach ist das nicht. Wichtig ist, dass die Bereitschaft da ist. Dass es da Stimmungsschwankungen gibt, weiß ich. Ich bin aber ein geduldiger Mensch.
Drei Spieler, drei Antworten: Amaury Bischoff. Spielt er schon das, was Sie erwarten
Loose: Er ist für uns ein sehr wichtiger Spieler. Seine maximale Leistung wird er sicher nicht erreicht haben. Ich weiß auch bei ihm, das er im körperlichen und konditionellen Bereich noch zulegen muss. Dennoch ist er schon jetzt für uns sehr wichtig. Ein Spieler der das Spiel lesen kann, der in schwierigen Situationen die Ruhe behält. Gute Pässe und Standards spielen kann. Aber ich versuche den Spieler davon zu überzeugen, das noch mehr geht.
Welche Position ist optimal für Bischoff?
Loose: Da, wo er jetzt spielt. Ich glaube, dass er in dieser Position neben Jens Truckenbrod gut positioniert ist. Er kann auch weiter vorne offensiv spielen. Er ist ein Spieler, der zwei, drei Spieler braucht, die er einsetzen kann. und dann ist es besser, wenn er von hinten kommt.
Mehmet Kara. Wo steht er, was fehlt ihm, warum spielt er nicht?
Loose: Das kann ich auch nicht so richtig sagen. Ich glaube, er hat unter diesen negativen Ergebnissen gelitten. Er kann außergewöhnliche Dinge in gewissen Momenten, er braucht aber einen Kämpfer an seiner Seite, der ihm dem Rücken frei hält, der ihm nach Ballverlusten positiv unterstützt. Er muss versuchen, im Training und mit den Einsätzen sich aufzudrängen. Da kann ich nicht sagen, dass ich damit aktuell zufrieden bin.
Fabian Hergesell, gut 50 Spiele in Folge – immer solide, immer gute Bewertungen. Was fehlt?
Loose: Das vorweg: In den Einheiten zuletzt hat er begriffen, worum es geht. Das man sich voll reinhängen muss, das ist für alle erkennbar. Aber das Wort solide ist nicht mein Wort. Alle elf Spieler müssen versuchen, dem Spiel ihren Stempel aufzudrücken. Da hat er meiner Meinung nach in den Spielen, die er gespielt hat, nicht überzeugend. Wir haben auch nicht gerade Riesen in der Mannschaft. Wir brauchen Spieler die kopfballstark sind. Wir spielen jetzt gegen Darmstadt, da kommt ein 1,96 m großer Mann in der Zentrale mit Stroh-Engel auf uns zu. Den müssen wir bekämpfen, das geht nicht mit kleinen Männern. Da hat Hergesell klare Nachteile gegenüber Neupert. Aber der Zug ist ja nicht abgefahren, der Ball rollt. Bei Schmidt sehe ich die Dinge anders, er war lange verletzt.
Sie haben offenbar kein Problem damit, zu viele gute Innenverteidiger zu haben?
Loose: Vor vier Wochen war alles nix, jetzt ist alles super. Man weiß doch, das jeder gebraucht wird. Der Konkurrenzkampf muss da sein. Auch Matthew Taylor weiß, hinter mir ist der Rogier Krohne. So muss Konkurrenzkampf aussehen. Wenn der Konkurrenzkampf da ist, weil alle gute Leitungen zeigen, sind wir einen großen Schritt weiter. Wenn beide nicht gut spielen, die um eine Position kämpfen, dann haben wir ein Problem.
Wie müssen Spieler mit dem Konkurrenzdruck umgehen?
Loose: Schauen sie sich den Mario Götze von Bayern München an, der sitzt wochenlang auf der Bank und man hört kein böses Wort. Mario Gomez war immer mein Musterbeispiel. Monate­lang auf der Bank und kein Ton ist von ihm zu hören. Und wenn er dann rein kommt, schießt er auch noch Tore. Das muss ein Vorbild sein. Darum gucken wir den großen Fußball. Die Spieler müssen Geduld haben.
Gucken Sie den großen Fußball?
Loose: Ich habe Montag die jungen Ajax-Spieler gegen Venlo gesehen, am Sonntag war ich Almelo, am Dienstag fahre ich zu Schalke gegen Chelsea. Ich habe zu Hause kein Sky, ich muss mir die Spiele live anschauen. Ich hoffe, meine Spieler schauen sich auch solche Spiele an.
Was muss im Umfeld noch verändert werden?
Loose: Ich war ja in Siegen Trainer – da war auch nichts. Münster muss man differenziert betrachten. Da ist die Entschuldung wunderbar gelungen. Jetzt geht es darum, dass man die Mannschaft mit Videos der Gegner, mit Bildanalysen von unserem Spiel, versucht voranzubringen. Vielleicht gelingt es jetzt, auch noch eine Kamera auf dem Trainingsplatz anzubringen – das kostet nicht viel. Ich versuche nur das für mich Notwendige in die Tat umzusetzen, die Arbeitsbedingungen und die Aussichten auf den Erfolg des Vereins zu verbessern. Dass wir keine Bedingungen wie in München oder Dortmund bekommen, ist doch klar. Es ist im Fußball nicht alles erklärbar, aber wenn man etwas Großes erreichen will, muss man auch das Fundament haben.
Und was geht?
Loose: Die Reaktionen sind positiv. Es hat sich schon einiges getan. Ich fordere ja auch nichts, was den Etat sprengt. Wir brauchen die Software, um Gas geben zu könne. Aber das sind Dinge, die betreffen das Umfeld und die schießen auch nicht unbedingt Tore.
Ihr Vertrag geht bis Sommer 2014. Welche Pläne haben Sie?
Loose: Ich habe keine Pläne. Ich will etwas bewegen können. Man liebt seinen Job und man darf sich nie zufriedengeben. Wer sich beim 400-Meter-Lauf nach 100 Metern eine Pause gönnt, der ist auf der Zielgeraden hintendran. Das versuche ich sehr deutlich vorzuleben.
Haben Sie noch Kontakt in Ihre Geburtsstadt Dortmund?
Loose: Meine ganze Familie wohnt in Dortmund, meine Mutter, mein Bruder mit Familie und zwei Kindern. Die sind schon froh, die kommen auch regelmäßig zu den Spielen – so wie noch nie. Die sind jetzt so richtig dabei. Ich bin schon öfter daheim als sonst. Aber wenn ich einmal die Woche nach Dortmund fahre, dann ist das schon viel.

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